Der Kühlschrank brummt. In Intervallen. Und nach dem siebten Tag in diesem Zimmer kenne ich die Intervalle. Eigentlich brummt er immer. Nur in diesen Intervallen noch stärker..
Sieben Tage lang bin ich alleine in diesem Zimmer. Und es kommen noch fünf lange Tage. Quarantäne wurde angeordnet. Eigentlich sollte ich nicht hier sein. Sondern eigentlich sollte ich feiern. Mich zurücklehnen. Ausruhen. Geplant war ein Abendessen mit meinem Mann und vor allem viel Zeit mit meinen Kindern. Belohnung für das Investment, das hinter uns liegt. Und jetzt bin ich seit sieben Tagen in diesem Zimmer.
Vor mehr als einem Jahr bekam ich im Januar 2019 die Anfrage auf dem Willowcreek Leitungskongress in Karlsruhe zu sprechen.
Ich habe – nach Ringen - zugesagt. Und damit begann für mich ein herausforderndes Jahr. Weil ich zeitgleich zur Anfrage auch einen neuen Dienst begonnen hatte. Und so habe ich jeden kleinen Fetzen an Know-How gesammelt. Gelesen. Mein Missionsverständnis überarbeitet. Theologisch an den Begriffen „Gnade“ und „Chaos“ gearbeitet. Ich habe viele Fragen an meine Freunde gestellt, die nicht in die Kirche gehen. Wollte noch besser verstehen, was wir als Christinnen und Christen tun müssen, damit wir sie ansprechen. Auch mir selbst habe ich Fragen gestellt: Bin ich gut genug? Ist dies meine Berufung? Was bedeutet diese Berufung für mich als Frau? Und noch spannender: als Mutter? Antrieb dafür war meine Neugierde, meine Unsicherheit und der feste Entschluss, Menschen ins Herz zu sprechen.
Und dann war er da: Der Kongress. Alles lief super. Das Bühnenprogramm war eine geniale Mischung aus persönlichen Erlebnissen, Leadership-Knowhow, geistlichen Sichtweisen und das auch noch alles in einer ökumenischen Weite. Ich war am Freitagnachmittag dran. Doch statt die letzten Vorbereitungen hinter der Bühne zu treffen, wurde zur Veranstaltungsleitung gerufen. Alle saßen mit ernster Miene da. „Wir haben gerade vom Gesundheitsamt eine Nachricht erhalten. Einer von uns ist am Coronavirus erkrankt. Wir, die wir mit ihm am Mittwochabend zusammensaßen, müssen uns in Quarantäne begeben.“
Der Kongress wurde frühzeitig abgebrochen. Und statt meines Talks auf der Bühne wurde von einem Mitarbeiter von WillowCreek Deutschland eine Erklärung verlesen. Alle Teilnehmenden sollten die Halle ruhig und bedacht verlassen. Ich selbst habe im Krisenstab mitgearbeitet. Funktioniert. Eine Pressemitteilung veröffentlicht. Mir ein Quarantänelager organisiert. Und war – wie vom Gesundheitsamt angeordnet – selbst dann um 18 Uhr in der Einsamkeit.
Hier in diesem Zimmer. Der Kühlschrank brummt. Meine Eltern leben in diesem Dorf. Es ist die Wohnung meiner Tante. Symptome habe ich nicht. Körperlich geht es mir gut. Und doch frage ich mich: „Was nun Gott? Du hattest mir so viele Zusagen für diese Berufung gemacht! Ich bin vorbereitet. Berufen. Und nun das?“ Am Freitagabend und Samstag war so viel Wut in mir. Bitterkeit. Und Trauer. Vor allem war ich wütend auf mich. Meine Mentorin hat mir zugehört, mich am Telefon getröstet und mir zugesagt: „Trauer ist OK! Aber keine Wut auf dich selbst!“ Das hat gut getan. Seit Samstagabend geht es besser. Heute ist Mittwoch. Gott und ich reden wieder miteinander.
Meine Mentorin hat mir zugehört, mich am Telefon getröstet und mir zugesagt: „Trauer ist OK! Aber keine Wut auf dich selbst!“ Das hat gut getan. Seit Samstagabend geht es besser. Heute ist Mittwoch. Gott und ich reden wieder miteinander.
Einordnen und verstehen kann ich das nicht. Vielleicht muss ich das auch nicht. Ich starte wieder damit: Fragen zu stellen. Und ich will wachsen und weitergehen. Mein Gebet heute Morgen ist: „Wende dich mir wieder zu und sei mir gnädig! Verleih deiner Dienerin deine Kraft […] Gib mir ein Zeichen dafür, dass du es gut mit mir meinst“ (Psalm 86,16f NGÜ/gen).
Und er flüstert leise: „Deine Berufung endet hier nicht. Es ist nur der nächste Schritt!“ Und diese Stimme mischt sich lauter werdend in das Brummen des Kühlschranks.