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  • Doris Lindsay

Der Alltag hinter der Fassade

Türknallen inklusive

Tamara Boppart leitet, zusammen mit ihrem Mann Andreas "Boppi" Boppart, Campus für Christus Schweiz

„Wie du kurz nach der Geburt schon wieder alles unter einen Hut kriegst. Hast du dafür ein Geheimrezept?“, werde ich nach dem Gottesdienst gefragt. Ich: „Wie kommst du denn auf die Idee? Ich bin zurzeit eher Dauer-unentspannt und komme an so ziemlich allen Fronten an meine Grenzen.“ Sie: „Aha. Wirklich?“ Die Frau braucht anscheinend Beweise. Hier sind sie: Ich werde laut weil die 3½-Jährige ihren Daumen beim Handschuhanziehen nicht an den richtigen Ort streckt. Einfach weil sich beim Anziehen von vier Schneehasen unter Dauergeschrei des jüngsten Familienmitglieds eh schon ein Grundpegel an Gereiztheit in mir befindet.

Ich verwende Erziehungssätze, die ich vor mehr als 20 Jahren selber gehört habe und die ich natürlich nie selber anwenden wollte, weil ich es ja dank Jesper Juul und Co. „viel besser“ mache als die Generation vor mir. Ich begrüsse meinen Mann abends nach einem langen Arbeitstag mit einem Befehl. (Kann ich was dafür, dass sich die Küche auf dem Weg von der Haustür zum Abendbrottisch befindet?)

Vierter und letzter Beweis liegt ein paar Wochen zurück: Ich zitiere um 20.00 Uhr meine Mädels, die nicht schlafen können, mit voller Ausnutzung meines Stimmvolumens zurück ins Bett, knalle die Tür und schliesse mich im Klo ein. Nach 3 Minuten Wut folgen 3 Stunden Tränen. Einfach weil der Tag lang war und nichts mehr übrig ist von mir, das ich irgendjemandem geben könnte. Nach letzterem Vorfall werde ich meine Schuld und Scham zwei Tage nicht los. Was bin ich für eine schlechte Mutter. Ich kriege überhaupt gar nichts unter irgendeinen Hut. Ein Rezept für ordentliches Türknallen kann ich gerne abgeben. Bis mich mein Mann am 3. Tag darauf hinweist, dass wir ja Gott nicht nötig hätten, wenn wir uns selber verdammen und dann auch noch alleine aus dem Schlamm hochkriechen wollen.

Gott. Jesus. Vergebung. Das Einmaleins des Glaubens. Wie konnte ich das nur vergessen? Ich bin ja so selbstgerecht.

Wir haben die Tendenz, das Leben der anderen von aussen zu betrachten, anstatt es miteinander zu teilen.

Von aussen sieht vieles schön aus. Und wenn nicht, dann knallen wir noch einen Filter drauf und schon ist die Idylle perfekt. Funktioniert auf facebook wunderbar. Eigentlich müsste man die Wohnungen verwanzen und sich gegenseitig abhören um zu merken: Auch bei den andern wird gestritten, geschwiegen, heimlich im Klo geweint, werden Kinder auch mal angeschnauzt und wird Ehemännern beim Schritt über die Türschwelle unsanft die Familienrealität ins Gesicht geklatscht.

Deshalb: Nicht bei den anderen um ein Rezept fragen oder sie im Stillen beneiden, sondern zu Gott rennen. Bei ihm verstecken sich Weisheit, Warmherzigkeit, Vergebung und was mir sonst noch so abhandenkommt während eines ganz normalen Tages.

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