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Jaël Binggeli

Soziale Sparsamkeit


Meine Freunde würden über mich sagen, dass ich sehr extrovertiert bin und viele Menschen kenne. Und ja, das stimmt. Schaut man sich die Bedeutung von «extrovertiert» passt das bei mir, wie die Faust aufs Auge:

«Das Adjektiv extrovertiert bedeutet ,kontaktfreudig’, aufgeschlossen’ oder ,nach außen gerichtet’ und beschreibt das Wesen von Personen.


Extrovertierte Personen fühlen sich in sozialen Situationen wohl und empfinden den aktiven Austausch mit Mitmenschen als anregend. Sie sind häufig gesprächiger, ungezwungener, enthusiastischer und kommunizieren lebhafter. « (Quelle https://neueswort.de/extrovertiert/#wbounce-modal )

Das ich durch diesen Charakterzug vielen Menschen begegne und mit ihnen ins Gespräch komme ist eine Auswirkung meines Charakters. Jahrelang bin ich ein hohes Tempo im Leben gefahren und war mit den unterschiedlichsten Menschen unterwegs. Ich möchte aber an dieser Stelle sagen, dass ich dabei immer einen kleinen, engeren Kreis von Herzensmenschen hatte. Doch ich hatte die verschiedenen, spannenden Begegnungen und damit verbundenen Erlebnissen geliebt und aufgesogen.


Doch in den letzten zwei Jahren hatte sich etwas verändert. Ich denke, dass es einerseits mit meiner momentanen Lebensphase zu tun hat, aber auch mit meinem Job. Gerade mein Job und die Aufgabe die ich wahrnehme hat es in sich. Jede Aufgabe hat seinen eigenen Charakter, sein Schönes aber auch sein Herausforderndes. Ich realisierte, dass mich die Aufgabe mehr brauchte als ich mir am Anfang zugestehen wollte und ich mich dabei veränderte.


Ich realisierte, dass mich die Aufgabe mehr brauchte als ich mir am Anfang zugestehen wollte und ich mich dabei veränderte.


Da ich beruflich mit vielen Menschen zu tun habe und viele berufliche Beziehungen knüpfe, was ein wichtiger Teil meines Jobs ist, hatte ich zunehmend weniger Energie für private Kontakte. Das hatte sich in den letzten Monaten immer stärker geäussert und ich fand es oft irritierend. Es war frustrierend, manchmal nicht einmal die Motivation aufzubringen, mich mit meinen besten Freunden zu treffen. Anfangs hatte ich nicht wirklich realisiert was da in mir geschieht. Doch ich suchte Gott in dieser Herausforderung und nahm es intensiv ins Gebet. Denn ich fühlte mich unwohl in meiner Haut und frage mich wo die “alte” Jael geblieben war, die sich so gerne mit Menschen traf? Weshalb fiel es mir plötzlich so schwer? Weshalb war da nicht mehr die volle Kraft vorhanden um meine sozialen Kontakte zu pflegen die ich doch normalerweise als bereichernd empfand? Ich rang mit diesen Fragen mit Gott und suchte nach den Gründen für meine soziale Sparsamkeit.


Die Antwort die ich darauf fand, war eigentlich ganz einfach. Da mein Job bereits so viel an Energie für Beziehungen abverlangte, war das Bedürfnis bzw. die Kraft für soziale Interaktion bis auf einen geringen Überrest aufgebraucht. Diese Erkenntnis war für mich eine wichtige Offenbarung. Hatte ich bis anhin Freude daran gehabt mich mit einer Gruppe von Freunden zu treffen, wuchs nun das Bedürfnis mich hauptsächlich auf meine engsten Freunde zu konzentrieren und mit weniger Leuten Zeit zu verbringen. Ich realisierte, dies ist ok so, denn jede Lebenssituation verändert mich.


Mit dieser kleinen aber wesentlichen Erkenntnis fällt es mir heute zunehmend leichter Aktivitäten abzusagen die mich im moment zu viel Kraft kosten. Ich kann mich auch besser abgrenzen, damit ich genug Energie habe um mich meinen wichtigsten Bezugspersonen zu widmen.


Ich bin am lernen, doch ich lerne diese neue Freiheit zu schätzen und spüre eine neue innere Freude.


Jaël Binggeli liebt es seit Jahren sich in ihre lokale Kirche zu investieren und konnte ihre Leidenschaft zum Beruf zu machen. Sie arbeitet seit 2020 bei der Schweizerischen Evangelischen Allianz und kann dabei als Brückenbauerin ihre Stärken leben. Einer ihrer grössten Freuden ist es kleine "Stubenkonzerte" zu geniessen.


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