Die Gelegenheiten die Gott mir schenkt!
Einsamkeit ist eines der grössten Probleme in unserer westlichen Welt. Das wird mir immer dann bewusst, wenn ich am Montagmorgen ältere Menschen am anderen Ende des Beratungstelefon ihre Anliegen erzählen höre. So auch letzte Woche. Mein Herz war betroffen, als ich hörte, dass die alte Frau niemand hat, der ihr in alltäglichen Herausforderungen eine Hand bietet.
Wie oft tagträume ich davon, von solchen Menschen in meinem Umfeld zu wissen. Ich könnte doch die Frau zum Einkaufen fahren, zum Doktor begleiten oder gar ein Mittagessen vorbeibringen! "Das muss doch so richtig erfüllend sein," stelle ich es mir jedenfalls vor.
Nur zwei Tage nach dem Anruf plane ich einen Ausflug. Dies ganz spontan, obwohl ich noch Dies und Jenes zu erledigen hätte. Doch ich beruhige mein Pflichtbewusstsein, dass ich ja eine Stunde Zugfahrt habe werde, wo ich an meinem Laptop arbeiten kann und einige meiner Pendenzen erledigen kann.
Der Zug kommt ich stehe am Bahnsteig, bewaffnet mit meinem Laptop. Mit mir steigt eine alte Frau in den Zug. Bevor ich ein leeres Sechserabteil betrete, spricht sie mich an. Sogleich beteuert sie mir, mich dann auch wieder alleine zu lassen. "Nein, nein, sie stören nicht," höre ich mich sagen. Ich kann ja auch in ihrer Anwesenheit am Laptop arbeiten, denke ich. Da sitzen wir nun und Sie erzählt und spricht und erinnert sich laut an verschiedene Dinge die sie beschäftigt und in mir beginnt ein Kampf. Oh nein, muss ich zuhören? Oder kann ich da "aussteigen"? Oder soll ich? Ich hab mir die Zeit ganz anders eingeplant. Beim Stichwort "Zeit" erinnere ich mich wieder an die Frau vom Montag. Ich wird bewusst, das dies genau so eine alte Frau ist in meinem Umfeld ist, die einsam und alleine ist!
Immer noch zuhörend gebe ich mir innerlich einen Ruck und entscheide mich, dieser Dame bewusst meine Stunde Zugfahrt zu schenken. Und wenn ich ihr schon zuhöre, dann auch mit Interesse - ich beginne ihr Fragen zu stellen.
Irgendwann meint sie, dass ich jetzt wohl wieder eines ihrer Opfer sei, das ihre Redeflut ertragen muss. Es gäbe einfach nicht mehr viele Menschen, die heute noch Zeit zum Zuhören hätten. Ich versichere ihr: "Keine Sorge liebe Frau, diese Stunde ist mein persönliches Geschenk an sie!" Ich bin unterdessen recht entspannt dabei und bin überzeugt, das Richtige getan zu haben. Die Zugfahrt und damit auch das Gespräch enden ganz unspektakulär.
Später lese ich eine Geschichte von einer Bäuerin, die Sonnenblumen aussäen wollte. In ihrer Hand die Kernen zur Aussaat bereit, entwischt ihr eine. "Ich bin mein eigener Herr und Meister und bin zu höherem berufen, als mich in den Dreck setzten zu lassen." entschuldigt sie ihr Entwischen. Sie versteckt sich unter einem Schrank. Na ja, die Umstände sind zwar nicht so sonnig, dafür bleibt sie ihr eigener Meister. Im Herbst, bei einem gründlichen Hausputz, wird sie erwischt und auf der Kehrschaufel nach draussen getragen und achtlos weggeworfen. Da sitzt sie nun, die Kerne, die sich nicht setzten lassen wollte! Über sie beugt sich eine ihrer Kernenschwestern, eine Eingesetzte und Aufgeblühte, versteht sich!
Der Rest ist Geschichte!
Das faszinierende dabei ist, beide hatten die gleiche Ausgangslage, beide waren Kernen mit Potential aufzublühen, wenn man sich denn einsetzten lassen würde. Die Bibel sagt, dass jede Person etwas zu geben hat, und dass Geben glücklicher macht als Nehmen. Die Sonnenblume und auch das Erlebnis im Zug erinnert mich daran.