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  • Tamara Boppart

Schubs in den Hintern


Wir haben in unserem Bad einen neuen Klodeckel, der sich selbst in Zeitlupe schliesst. Da ich weitaus am häufigsten bei uns zu Hause aufs Klo gehe, hat sich diese Bequemlichkeit sehr schnell in mein Verhaltensrepertoir gebrannt. Wann immer ich sonst wo aufs Klo gehe, hat das lautstarke Folgen. Mein konditioniertes Hirn gibt meiner Hand die Erlaubnis, den Deckel einfach schon bei fast senkrechter Lage loszulassen. Der landet dann mit einem riesen Knall in der Waagrechten. Ich funktioniere wunderbar reibungslos in allem Vertrauten und Gewohnten. Kaum verlasse ich die bekannten Hirn-Pfade, wird’s holprig und laut.

Ähnlich erlebe ich das beim Joggen. Seit knapp einem Jahr sind wir als Familie an einem neuen Ort zu Hause. Da sind x unentdeckte Quadratkilometer um mich herum. Mit jeder Joggingrunde nehme ich neue Wege, Wälder und Felder unter die Füsse. Ich liebe es, ohne Sound und GPS einfach los zu rennen. Dieser Plan geht nicht immer auf. Mein Bauchgefühl für Orientierung und Zeitgefühl wurde auch schon Lügen gestraft, Die neue Route war viel zu weit, ich landete in Sackgassen oder unwegsamem Gelände. Für die schlammverschmierten Schuhe und die dornenzerkratzen Beine hat die Abenteurerin in mir nur ein müdes Lächeln übrig.

Leider wird die Entdeckerin in mir in Sachen Glaube urplötzlich ganz zahm.

Leider wird die Entdeckerin in mir in Sachen Glaube urplötzlich ganz zahm. Da tauchen Unmengen von Gründen auf, die ausgetretenen Pfade nicht zu verlassen. So musste mich vor ein paar Wochen das Explo Programmteam und mein Ehemann regelrecht von meiner bewährten Route schubsen. Hinein in ein neues, mir unbekanntes Tätigkeitsfeld – ich soll moderieren. Hätte ich mir nicht ausgesucht. Und wenn, dann lieber mal im kleinen Rahmen üben, statt mit dem Ernstfall zu beginnen. Geschubst zu werden ist nicht unbedingt angenehm aber manchmal nötig. Natürlicherweise stellt sich bei mir dann eine Trotzreaktion ein: „Jetzt erst recht nicht!“. Nicht sehr weise, wie ich gemerkt habe. Ich will Menschen, die in mir etwas sehen, was ich selber nicht sehe, die Erlaubnis zum Schubsen erteilen. Quasi als heiliger Tritt in den Hintern, um nicht die ewig gleiche Leier zu leben und stattdessen über mich selber hinaus zu wachsen.

Das lief nicht ohne Holperer. Die neue Verantwortung führte mich auf eine gefühlt viel zu lange Route. Der Vorbereitungsaufwand als Greenhorn war riesig im Vergleich zu Dingen, die ich aus meinem bisherigen Berufungsärmel schütteln konnte, meine Kondition dabei arg strapaziert. Bei der Durchführung war sowohl die Nervosität als auch der Energieverschleiss hoch. Nichts zu spüren von fröhlich im Flow durchrennen, sondern viel mehr hiess es, das Tempo zu drosseln. Dornen Namens Selbstzweifel und Unsicherheit kratzten hier und da. Schlussendlich wurden meine schubsenden Freunde bestätigt. Ja, das war die richtige Route für mich. Mit etwas zeitlicher Verzögerung sehe ich das selber genau so.

Jedes Mal, wenn ich den Klodeckel auswärts aus Versehen fallen lasse, ruft der Knall meinem Hirn und Herz zu: „Bleib flexibel! Halte nicht immer am Vertrauten fest und lass dich dann und wann wieder schubsen!“

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