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  • Sarah Keshtkaran

Zwischenphase


Ich glaube, mir fehlt etwas. Oder vielleicht auch fehlt mir auch alles? Ich habe keinen Job mehr. Und ich habe meinen Job geliebt und ich hatte eine Aufgabe - eine sinnvolle Aufgabe. Und ich hatte Stress und Herausforderungen und ich habe sie bewältigt. Ich wurde gelobt. Und ich hatte Struktur.

Seit einer Woche wache ich jeden Morgen auf und weiß nicht, was ich tun soll. Soll ich ein neues Buch schreiben? Einen Blogpost? Einen Zeitunsartikel? Nein, ich sollte gar nicht schreiben. Ich sollte meine ToDos abarbeiten. Denn, dass ich meinen Job nicht mehr habe, hatte ja einen Grund: Ich habe zu viel zu tun um unsere Ausreise nach Äthiopien vorzubereiten. Eine unendliche Liste voller Dinge, die mir wenig Freude machen - aber gemacht werden müssen. Heute? Oder morgen? Oder soll ich gleich aufgeben und sie gar nicht machen?

„Loslassen“ nennt man diesen Prozess angeblich. Aber er fühlt sich an wie „weggerissen bekommen“. Nicht nur einen Job, sondern mit ihm allen Halt unter den Füßen. Alle Sicherheit. Wo werden wir leben? Werden die Spenden reichen? Werden wir glücklich sein? Machen wir alles richtig? Wann werden wir fliegen? Was werden wir bis dahin tun? Wie nutzt man die letzten Woche in der Heimat mit den Liebsten? Wie kann ich all das fühlen, all den Schmerz all den Abschied? Ich will, dass die nächsten Wochen verfliegen. Und ich will, dass sie nie vorbei gehen! Und was mache ich jetzt mit meinen nächsten 24 Stunden? Ja, wir haben große Träume, eine Vision und einen Plan - da irgendwo in der Zukunft. Aber die Zukunft kommt mir plötzlich viel zu nah und scheint mich zu lähmen. Wir in Äthiopien mit zwei Kindern. Wir in den Dörfern. Anstatt der Ahnung haben wir Tränen und Angst - und keinen Job mehr. Und was mache ich jetzt heute? Ich höre die Musik, ...

„Slow down, take time

Breath in He said

He'd reveal what's to come

The thoughts in His mind

Always higher than mine

He'll reveal all to come

Take courage my heart

Stay steadfast my soul

He's in the waiting

He's in the waiting

…“

„Seit mutig mein Herz. Und bleib standhaft meine Seele.“ Mein unsicheres Herz und meine Halt suchende Seele, werden gerade von nicht viel mehr gehalten als von der Hoffnung, dass Gott es gut mit uns meint.

Mein unsicheres Herz und meine Halt suchende Seele, werden gerade von nicht viel mehr gehalten als von der Hoffnung, dass Gott es gut mit uns meint.

Aber was mache ich jetzt mit den nächsten 24 Stunden?

Gerade laufen zwei nackte glückliche Kinder durch die Wohnung. Sie kommen gerade aus ihren Betten zu mir auf den Balkon, haben sich nackig ausgezogen und laufen einfach glücklich und niedlich und wild durch unsere Übergangswohnung. Sie tanzen und lachen. Und sie wissen nicht was morgen kommt. Auch nicht, was sie heute machen werden. Sie haben keine Ahnung was es heute zum Mittagessen gibt und ob ich ihnen wirklich wieder etwas kochen werde. Sie wissen nicht, ob das was wir heute spielen werden ihnen Spaß machen wird. Sie haben keine Ahnung ob sie zurück gucken werden und sagen werden „Das war ein schöner Tag.“. Aber anstatt der Ahnung haben sie Freude und Vertrauen. Vertrauen, dass es wieder so sein wird wie immer. Dass ich bisher jeden Tag etwas für sie gekocht habe - und es auch heute so sein wird. Das die Tage gefüllt sein werden mit Gutem - denn das waren sie meistens. Dass wir heute Abend im Bett liegen werden und nicht aufhören können aufzuzählen, wofür wir dankbar sind. Denn so war es immer. Und wenn es immer so war, warum sollte es nicht heute auch so sein?

Jetzt klettert meine kleine Tochter auf meinen Schoß. Klein und nackt und schutzlos. Und vertrauensvoll. Sie weiß, dass sie bei mir geliebt, sicher und beschützt ist. Es ist der beste Platz für sie.

Auch ich fühle mich nackt, klein und schutzlos. Haltlos. Ich sollte auch wieder auf seinen Schoß klettern. In der Erwartung, dass er es gut mit mir meint, dass er mich festhält und mich liebt. Und vielleicht wird er meine Angst und Tränen in Vertrauen und Freude verwandeln. Oh ja, ganz sicher. Denn so wie meine Kinder nicht wissen - und nicht fragen - was wir heute essen werden, wer es bezahlt und zubereitet, sondern vertrauen, dass es gut sein wird wie immer bisher. So werde auch ich mich in den nächsten 24 Stunden entscheiden, zu vertrauen, dass ich nicht alles wissen muss um glücklich zu sein, dass ich nicht von allem eine Ahnung haben muss - aber in allem vertrauen darf. Und ich werde sie auf seinem Schoß verbringen.

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